08.08.2022
Barber's Gin: Schnaps brennen unterm Friseursalon
Günther Plaickner, Christoph Schobel, Gerhard Ölz sowie Thomas & Fabian Sturn brennen Gin aus Leidenschaft.
Es gibt Geschichten, die das Leben schreibt und die man nicht besser erfinden könnte: Vier befreundete Friseure brennen zum Spaß Gin im Keller unter dem Salon und gewinnen bei der renommierten Destillata, die Spirituosen aus aller Welt prämiert, gegen etablierte Hersteller.
Aber alles der Reihe nach. So mancher suchte in der Krise nach neuen Aufgaben, Herausforderungen oder Hobbys, um die Zeit während der Lockdowns totzuschlagen. Vorarlbergs Innungsmeister Günther Plaickner, seine beiden Stellvertreter Gerhard Ölz und Christoph Schobel sowie Thomas Sturn drehten, als die Wirtschaft des Landes im künstlichen Tiefschlaf lag, aber alles andere, als Däumchen: Sie brannten Gin in Thomas Sturns Destillerie, die direkt unter dessen Friseursalon in Rankweil im zweitältesten Keller der Stadt, der auf das 17. Jahrhundert zurückgeht, untergebracht ist. Es wurde gebrannt, an Etiketten getüftelt, Flaschen beklebt und abgefüllt – und natürlich nach Herzenslust Gin genossen. Die vier Friseure verbindet eine langjährige Freundschaft: Zusammen sitzt man regelmäßig abends auf der Terrasse, plaudert, wälzt gemeinsame Reisepläne, die einmal pro Jahr nach Wien ins Schweizerhaus oder auch zum Oktoberfest nach München führen. Vor ein paar Jahren besuchte man zusammen Dublin und fasste den Entschluss, die Freundschaft mit einem gemeinsamen Projekt zu vertiefen. Gemeinsam Gin zu brennen, das wäre doch etwas!
Thomas Sturn, neben seinem Friseurjob Edelbrand-Macher in dritter Generation, plante, im Keller unter seinem Salon eine Destillerie einzurichten. „Ein halbes Jahr vor dem ersten Lockdown wurde die fertig“, erzählt Christoph Schobel, der im Rahmen des „Gin-Projekts“ für Etiketten, Website und die Vermarktung verantwortlich zeichnet. „Gin ist es unter anderem deshalb geworden, weil Thomas nur eine Lizenz für Edelbrände und Gin hat“, so Schobel. Zusammen wurde ein Gin-Workshop im Bregenzer Wald besucht, der die angehenden Gin-Brenner einer würdigen Rezeptur jedoch nicht näherbrachte. Ein gemeinsamer Schweizer Freund, Arthur Nägele, seines Zeichens von Europa bis Asien anerkannter Spirituosen-Sommelier und Fachcoach, wurde hinzugezogen. Ihm unterbreiteten Sturn, Plaickner, Schobel und Ölz bei einem Lokalaugenschein im Destillerie-Keller eine Reihe von Ingredienzien, die sie für die Produktion ihres Gins heranziehen wollten. „Das waren lauter Sachen, die auch für Haare gut sind, Koreander zum Beispiel“, erzählt Schobel. Mit dem Auftrag, eine Grundnote zu entwerfen, trat Sommelier Nägele die Heimreise an, um nach ein paar Wochen mit einer ersten Probe nach Rankweil zurückzukehren.
Zu klären galt es auch die Frage, welches Tonic sich denn am besten für einen perfekten Gin Tonic eigne: „Welcher Tonic zum Gin genommen wird, ist in Fachkreisen ja fast eine religiöse Frage“, erklärt Schobel, „Arthur hat uns zu Fevertree geraten, und das haben wir dann auch genommen. Der goldfarbene Indian Tonic verleiht eine wacholdige Note, der Mediterrenean Tonic macht das Ganze etwas mediterran. Wir haben den Gin gekostet und waren alle schlichtweg begeistert. Da haben wir gesagt, da müssen wir gar nix ändern und sind gestartet!“
Ein Brand macht Furore
Ab dem Zeitpunkt, an dem es bereits etwas zu verkosten gab, entwickelte das Projekt eine Eigendynamik: Immer mehr Kollegen wurden auf Barber’s Gin aufmerksam, Friseurfachmedien in Österreich und Deutschland berichteten über das (für Friseure) ungewöhnliche Projekt. „Wir waren schon bald bekannt wie die bunten Hunde, auf der Haarmania letztes Jahr in Salzburg hat man uns nur mehr mit ‚Schau, da kommen die Ginbrenner‘ begrüßt“, schmunzelt Schobel. Nach reichlich positivem Feedback suchten Sturn, Plaickner, Schobel und Ölz nach einer objektiven Fachmeinung und meldeten ihren Gin bei der Destillata, auf der Spirituosen aus dem In- und Ausland prämiert werden, an. Zur Überraschung aller Beteiligten siegte Barber’s Gin in den Kategorien Gin Tonic und Classic Dry Gin gegen etablierte Hersteller.
Aufnahmeprüfung
Bereits vor der Prämierung nahm das Quartett ein weiteres Mitglied in seine Runde auf: Um sich würdig zu erweisen, musste Thomas Sturns Sohn Fabian, einziger Nicht-Friseur, eine Friseur-Prüfung ablegen und eine Reihe von Frisuren kreieren. Schobel: „Er hat das sehr ernst genommen und wirklich toll hingekriegt!“ Seitdem ist Fabian Sturn der Fünfte im Bunde. Expansionspläne gibt es keine, die Gin-Brennerei soll ein Hobby bleiben – Geld verdient man als nicht gewinnorientierter Verein ohnehin keines. Gegen sogenannte „Spenden“ kann der Barber’s Gin aber unter www.barbers-gin.com erworben werden.