Foto: Ramin Dell

02.04.2024

Umsatzbringer im Salon: Graues Haar veredeln und renaturieren

Ramin Dell ist Friseurmeister mit eigenem Salon im hessischen Eschborn – und hat sich mittlerweile in der Branche einen Namen als DER Experte zum Thema Grau gemacht.

Mit „Argent Royal“ hat sich Ramin Dell auf das Thema Renaturierung spezialisiert und gibt sein Wissen auch in Seminaren weiter. Seine Kund*innen, die er liebevoll „Lobinas“ (span., Wölfinnen) nennt, kommen aus ganz Deutschland zu ihm.

TOP HAIR: Wie bist du zu diesem Thema gekommen?
Ramin Dell: In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Auf der einen Seite bin ich Colorist und färbe gerne, auf der anderen Seite habe ich schon immer graue Haare geliebt – diese Salz- und Pfeffermischung. Mit dem Thema Grau habe ich mich schon sehr früh befasst, weil ich Kundinnen hatte, die nicht mehr färben wollten oder konnten. Wir haben sie dann über diese Zeit hinweg begleitet, das war ein Prozess von teilweise zwei Jahren. Und dann kam der Granny-Look aus Amerika zu uns rüber. Da gab es eine Faustregel – Grau tragen kann nur der, der nicht grau ist. Ich war aber immer der Meinung, dass es einen Unterschied gibt zwischen denjenigen, die ihre grauen Haare mit Stolz tragen – und denen, die sich komplett aufgegeben haben.

Wie meinst du das?
Wenn die Frauen zu mir in die Beratung kommen und kein Make-up drauf haben oder komplett in Beige gekleidet sind, sage ich ihnen, dass sie, wenn sie keine Farbe mehr in den Haaren haben, Farbe im Gesicht brauchen, in den Kleidern – oder eine auffällige Brille. Man muss sehen, dass sie ihr Grau mit Stolz tragen und sie dahinterstehen.

Und wie bist du dann vorgegangen?
Ich bin damals auf Jack Martin aus Kalifornien gestoßen, der etwas ganz anderes gemacht hat als wir – er hat den natürlichen Zustand des Haares wiederhergestellt. Und ich habe versucht herauszufinden, was er verwendet. Wir wissen ja alle, wir können ein Haar nur bis zu einem bestimmten Punkt blondieren. Irgendwann gibt das Haar die Struktur auf. Also musste es etwas sein, was die teils jahrzehntelangen im Haar enthaltenen Pigmente ausschwemmt. Den Lockdown habe ich dann dazu genutzt, tief in die Materie einzutauchen. 

Wie groß ist der Zeitaufwand bei einer Renaturierung?
Ungefähr zehn bis 14 Stunden. So genau kann man das vorher nicht sagen, es kommt auch darauf an, wieviele Haare die Kundin hat. 

Wie kalkulierst du die Preise?
Ich habe einen Festpreis von 1.600 Euro. Und ich gebe meinen Kundinnen alle Produkte mit, die sie brauchen. Denn manchmal ist es so, dass sie so viel Geld ausgeben  – und anschließend ein Drogerieprodukt verwenden. Wichtig ist es, den Silberton zu erhalten. Was wir brauchen ist deshalb ein Shampoo mit Graupigmenten – kein Silbershampoo. Denn diese heißen zwar „Silber“, machen aber nicht Silber.  

Kommen die Kundinnen vorher zum Beratungsgespräch zu dir?
Ja, wenn sie aus der Nähe sind, kommen sie in meinen Salon. Ich biete aber auch eine Onlineberatung per Zoom an, die auf meiner Website gebucht werden kann. Anhand einer von mir ent­
wickelten Skizze, die ich ihnen vorab zuschicke, wissen sie dann, wie sie ihre Haare zu teilen haben und welches Licht wir brauchen, damit ich das gut sehen kann. Wegen der Haarbeschaffenheit muss ich mich auf die Angaben der Kundin verlassen. Ich zeige ihnen, wie sie selbst einen Reißtest machen, um so den Schädigungsgrad der Haare festzustellen. Bei Schädigungsgrad 3 fehlt jede Menge Zellmembrankomplex und die Haare sollten erst einmal mit einer fettigen Kur und einem Feuchtigkeitsshampoo richtig gepflegt werden. Und dann machen wir nach sechs Wochen noch einmal einen Reißtest – wenn dieser dann bei zwei ist, können wir färben. Wenn das Haar reißt, heißt das Schädigungs
grad 4 – da machen wir gar nichts mehr.

Was haben die Frauen im Beratungs­gespräch für Fragen an dich?
Die erste Frage ist zunächst, ob es überhaupt machbar ist. Dafür machen wir ja den Reißtest. Die zweite Frage ist: „Wie werde ich nachher aussehen?“. Und anhand ihrer Weißanteilverteilung der verschiedenen Sektionen kann ich ihnen aus meiner Arbeit Bilder zeigen und sagen: „Diese Kundin hat ähnlich wie du vorne 100 und hinten 30 Prozent – und so wird dein Ergebnis ungefähr werden“. Bei der dritten Frage: „Steht es mir?“ sind wir schon mitten in der Typberatung.  

Was war deine größte Challenge?
Meine größte Challenge war definitiv eine Kundin mit 90 Prozent Weißanteil, schwarz gefärbtem Mittelstück und grünen Spitzen. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt, und es hat zehn Stunden gedauert.

Und wann musst du kapitulieren?
Wenn die Haare mit Henna gefärbt sind, dann bin ich machtlos.

Hast du einen Tipp für deine Friseurkolleg*innen? 
In einem Salon, der sich das Thema Farbe auf die Fahne geschrieben hat, ist das eine Dienstleistung, die zum Portfolio gehören sollte. Wir haben immer mehr Kundinnen, die danach fragen – und wenn man diese dann wegschicken muss, ist das sehr schade. Viele Kolleg*innen haben Angst, dass dann das komplette Farbgeschäft wegbricht. Das ist aber nicht so. Zum einen sind das gerade einmal zehn Prozent, die grau werden wollen – zum anderen bleibt die Kundin ja zunächst einmal die nächsten zwei Jahre meine Farbkundin. Vielleicht färbe ich ihr nicht mehr alle sechs Wochen den Ansatz dunkel, aber ich mache ihr alle sechs Wochen eine Tönung, denn die Farbe muss ja am Leben gehalten werden.

Das Interview in ganzer Länge finden Sie in der aktuellen Ausgabe der TOP HAIR.