Zwei Chefredakteurinnen im Gespräch: Rebecca Kandler (TOP HAIR) und Raphaela Kirschnik (imSalon), Fotos: Stefanie Brückner, Martin Steiger

20.12.2023

Zukunftskongress: Die Friseurbranche muss politischer werden

Am 15. Januar ist es soweit: Unser Schwesterunternehmen imSalon startet in Berlin seinen ersten Zukunftskongress. Wir haben mit Chefredakteurin Raphaela Kirschnick über Ziele und Absichten gesprochen.

TOP HAIR: Hallo Raphaela, über die Zukunft der Friseurbranche wird ja zur Zeit viel spekuliert. Was erwartet uns bei eurem Zukunftskongress?
Raphaela Kirschnik:
Im Zentrum steht eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion, die sich mit Rahmenbedingungen und Problemen der Friseurbranche beschäftigt. Drumherum gibt es eine Reihe von Vorträgen, die alle ebenfalls einen Blick in die Zukunft der Branche werfen. Referenten sind z.B. der Designer Marcel Ostertag, Friseurunternehmerin Sabrina Poser oder Marcel Abele vom Zukunftsinstitut.

Das Herzstück aber, so habe ich es verstanden, ist die Podiumsdiskussion. Wer wird daran teilnehmen?
Wir werden neben ZV-Präsidentin Manuela Härtelt-Dören und einigen anderen prominenten Branchenvertretern wie Heiko Schneider und Filiz Erdogu auch den Präsidenten des Gesamthandwerks Jörg Dittrich dabei haben, Staatssekretär Michael Kellner vom Wirtschaftsministerium und den Philosophen und Publizisten Richard David Precht. Damit ist nicht nur ein hohes Maß an Aufmerksamkeit der Medien garantiert, sondern auch ein weiter gesellschaftlicher Rahmen abgesteckt, der endlich einmal über das Friseurhandwerk selbst hinausreicht. Es ist an der Zeit und es tut der Branche gut, politischer zu werden.

Warum habt ihr Richard David Precht eingeladen? Was hat er mit Friseuren zu tun?
Er ist nicht nur ein Shootingstar in den Medien, sondern hat sich schon mehrfach mit der Arbeitswelt auseinandergesetzt: „Die Zukunft gehört den Empathie-Berufen“ ist z.B. eines seiner Statements.  Damit ist nicht nur die Pflege gemeint, sondern durchaus auch der Friseur. Das passt doch gut! Außerdem sorgt jemand wie Precht für das öffentliche Interesse, das wir für unsere Anliegen brauchen.

Um welche Anliegen geht es euch?
Wir haben im Vorfeld eine Umfrage gemacht, an der sich rund 1.400 Friseurbetriebe beteiligt haben. 63 Prozent davon sehen pessimistisch in die Zukunft! Dafür gibt es konkrete Gründe:

  1. Die Wettbewerbsverzerrung zwischen Klein- und Kleinstbetrieben, die von der Umsatzsteuer komplett befreit sind, und regulär besteuerten Unternehmen. 28 Prozent aller Friseurbetriebe zahlen mittlerweile keine Umsatzsteuer mehr (und können ihre Dienstleistungen entsprechend billiger anbieten) – und es werden jedes Jahr mehr.
  2. Der hohe Anteil an Schwarzarbeit in der Branche. 2022 wurden bei einem Viertel der kontrollierten Betriebe Strafanträge gestellt. Das ist eine sehr beängstigende Quote, die das Ausmaß zeigt.
  3. Der Nachwuchsmangel: In den letzten 10 Jahren ist die Anzahl der Azubis im Friseurhandwerk um 65 Prozent zurückgegangen. Nur noch 11 Prozent aller Betriebe bilden aus.

Was wollt ihr dagegen tun?
Wir – also die Vertreter*innen des Friseurhandwerks, darunter der Zentralverband, Industriepartner und ganz viele Friseurunternehmen – haben vier zentrale Forderungen an die Politik, die wir beim Zukunftskongress öffentlich machen:

  1. Die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent für alle steuerpflichtigen Friseurunternehmen. Das mindert die Wettbewerbsverzerrung.
  2. Die Möglichkeit für Kund*innen, Friseurdienstleistungen als körpernahe Dienstleistungen steuerlich geltend zu machen. Das sorgt nicht nur für ein positives Klima in der Öffentlichkeit, sondern entzieht auch der Schwarzarbeit ein Stück weit den Boden.
  3. Dennoch muss Schwarzarbeit auch im privaten Bereich deutlich konsequenter verfolgt werden.
  4. Betriebe, die ausbilden, müssen finanziell unterstützt werden.

Ist die Forderung nach 7 Prozent Mehrwertsteuer nicht mittlerweile völlig unrealistisch? Selbst die Petition im letzten Jahr hat ja trotz großer Beteiligung nichts bewirkt. Und ab dem Jahresende sollen ja auch Gastronomie-Betriebe wieder den vollen MWSt.-Satz abführen …
Die Gastronomie hat jetzt drei Jahre lang ihren Steuervorteil gehabt. Außerdem hat sie innerhalb ihrer eigenen Branche längst nicht in dem Ausmaß mit 0-Prozent-MWSt.-Betrieben zu kämpfen wie die Friseure. Das ist bei uns deutlich dramatischer und lässt sich daher nicht vergleichen. Wir erwarten, dass die Regierung für alle da ist. Friseure wollen nicht länger als Unternehmer zweiter Klasse behandelt werden. Das ist überhaupt das wichtigste Ziel, das wir mit dem Zukunftskongress verfolgen: Wir wollen auf diese wunderbare Branche und ihre Situation aufmerksam machen!

Dem schließen wir uns gerne an und wünschen euch viel Erfolg dabei! 

Hier finden Sie weitere ► Informationen zum Zukunftskongress Friseurhandwerk.