Foto: Miklas Spohr

08.11.2017

Können Friseure nicht richtig föhnen, Herr Weinitschke?

Wird Föhnen als Dienstleistung im Salon vernachlässigt? Das Styling mit Föhn und Bürste ist die Krönung von Schnitt und Farbe, sagt ZV-Art Director Antonio Weinitschke. Er verrät ein paar Föhntricks, damit die Frisur sitzt.

Der Kreativdirektor des Zentralverbandes findet es schade, dass die Dienstleistung Föhnen in vielen Salons oft vernachlässigt wird. Manche Friseure würden diese hohe Kunst des Stylings auch oftmals nicht besonders gut beherrschen.

TOP HAIR: Vor wenigen Jahren tauchten auf dem deutschen Markt die ersten Föhnbars auf. Wie beurteilen Sie aktuell deren Erfolgsaussichten?
Antonio Weinitschke: Es war eine Marktlücke, sicherlich. Es war und ist ein neuer Weg, unsere Dienstleistungen zu präsentieren. Und es ist auch eine Chance, unserem Können eine neue Wertigkeit zu geben und eine neue Wertschätzung zu erzielen. Dennoch: Ich bin skeptisch. Weil es, anders als etwa in den USA, in Deutschland noch immer nicht so ist, dass Kundinnen mit langem Haar regelmäßig ein professionelles Styling abfragen. Bei uns sind es eher die Kundinnen mit schwierigen Haaren, die einmal pro Woche zum Föhnen kommen.

TOP HAIR: Sie betonen ,bei uns‘. Sehen Sie Unterschiede zu Kundinnen im Ausland?
Antonio Weinitschke: Ja. In vielen europäischen Ländern ist die Situ­ation anders. Nehmen wir Portugal. Dort findet man häufig dickes Haar mit Locken oder Krause. Hier wünschen sich die Kundinnen Stand und Bändigung – und suchen das Können der Profis. Bei uns wird diese Dienstleistung von Geschäftsfrauen abgefragt, die im Beruf gepflegt aussehen müssen, oder von sehr wohlhabenden Kundinnen, die es sich einfach leisten können, und von solchen Kundinnen, die „zwei linke Hände“ haben.

TOP HAIR: Bedauern Sie, dass das pure Styling so wenig nachgefragt wird?
Antonio Weinitschke: Föhnbars sind sicher eine Möglichkeit, diese Dienstleistung in den Fokus zu stellen. Aber mal ehrlich: Wenn ich an einem guten Tag, also Freitag oder Samstag, zehn oder zwölf Kundinnen geföhnt habe, habe ich am Ende weniger in der Kasse, als wenn ich zehn oder zwölf Kundinnen die Haare geschnitten hätte.

TOP HAIR: Halten Sie denn die Kollegen für ausreichend geschult, um sich mit dem Föhnen zumindest ein Zubrot zu sichern?
Antonio Weinitschke: Ich sehe anderes in den Meisterschulen. Es ist leider so, dass es vielen Friseuren an Können mangelt. Und an Feingefühl. Sie alle arbeiten mit ihren zahllosen Rundbürsten und bringen wunderschönen Glanz ins Haar. Was die Kundin aber eigentlich will, sind Stand und Haltbarkeit der Frisur – und das auch noch in ihrem Stil, typgerecht.

TOP HAIR: Woran hapert’s?
Antonio Weinitschke: Viele Kollegen – und so wird es auch oft in Seminaren geschult – bringen Form in die Längen. Aber hier sollte eigentlich der Schnitt seine Qualität beweisen. Wichtig ist, den Föhn dort wirken zu lassen, wo es sinnvoll ist: am Haaransatz. Halt schaffen wir an der Kopfhaut, Volumen kreieren wir, wenn wir gegen die Wuchsrichtung arbeiten. Und all das erreichen wir vor allem nicht im nassen Haar, sondern im Zustand zwischen klamm und trocken. Mit ein wenig Restfeuchte wird das Haar formbar. Es ist wie bei Kleidung: die bügelt man auch nicht tropfnass.

TOP HAIR: Föhnen Sie selbst in Ihrem Salon?
Antonio Weinitschke: Selbstverständlich. Ich habe ja reichlich Erfahrung mit Wettbewerben. Dort lernt man, in ganz kurzer Zeit perfekt zu föhnen und zu frisieren. Aber die Gelegenheiten werden seltener, und die Auswirkungen sieht man. Die Kollegen können formen, aber Stand und Haltbarkeit lassen zu wünschen übrig.

TOP HAIR: Und wie machen Sie es mit Ihren Mitarbeitern?
Antonio Weinitschke: Selbstverständlich werden sie geschult. Immer wieder überlasse ich ihnen auch mal den einen oder anderen Stammkunden. Dabei ist mir ganz wichtig, dass sie einen Blick dafür kriegen und ein Feeling entwickeln, den Typ und den Stil der Kundin zu erkennen. Es ist doch ein Armutszeugnis, wenn die Kundin nach dem Salonbesuch zu Hause erst einmal den Kopf unters Wasser hält. Unser Styling sollte zum schönen Schnitt das Geschenkpapier sein.

 

    Foto: Melanie Fredel

    Gut frisiert: Tipps zum Föhnen

    1. Das Allerwichtigste: ein perfekter Schnitt!
       
    2. Entscheidend ist die richtige Bürste: Kunststoffbürsten für feines, Naturborsten für naturkrauses Haar. Sie halten das Haar fester.
       
    3. Das Haar – unter Umständen über Kopf – vortrocknen, bis es nur noch restfeucht ist.
       
    4. Föhnen Sie ruhig heiß, aber lassen Sie die Luft – aus schmaler Düse – übers Haar in Wuchsrichtung weggleiten. Die Schuppenschicht wird geschlossen, das Haar glänzt.
       
    5. Verwenden Sie die richtigen Stylingprodukte in der richtigen Menge! Zu viel wirkt beschwerend.
       
    6. Stand erzielt man am Ansatz. Lassen Sie die Bürste im Haar, bis es ausgekühlt ist.
       
    7. Nicht übertrocknen! Zu trockenes Haar fängt an zu fliegen.
       
    8. Um sichere Ergebnisse zu erzielen, teilen Sie sauber ab!
       
    9. Arbeiten Sie von unten nach oben! Verbinden Sie untere mit den darüberliegenden Passées.
       
    10. Am Ende fixieren, um das Styling vor Feuchtigkeit aus der Luft zu schützen. Nicht zukleistern!