Sind natürlich Inhaltsstoffe immer besser? Foto: shutterstock/Iakov_Kalinin

30.06.2023

Natürliche Inhaltsstoffe in der Haarpflege: Mythos und Wirklichkeit

Nur natürliche Inhaltsstoffe sorgen für gesundes und schönes Haar? Friseur und Chemiker Michael Ahlmeyer geht der Aussage nach.

In der heutigen Zeit suchen immer mehr Menschen nach natürlichen Alternativen in allen Bereichen ihres Lebens - einschließlich der Haarpflege. Doch während einige behaupten, dass natürliche Inhaltsstoffe die beste Wahl für gesundes und schönes Haar sind, bleiben andere skeptisch und betrachten dies als bloßen Mythos.
In diesem Artikel werden wir uns genauer mit natürlichen Inhaltsstoffen in der Haarpflege befassen und herausfinden, ob sie wirklich so wirkungsvoll sind, wie behauptet wird.

Was sagt die Wissenschaft?

Natürliche Inhaltsstoffe wie Aloe vera, Kokosöl, Pflanzenextrakte oder Jojobaöl haben einen festen Platz in zahlreichen Haarpflegeprodukten. Die Befürworter dieser Inhaltsstoffe sagen, dass sie das Haar mit Feuchtigkeit versorgen, es stärken, Glanz verleihen und sogar das Haarwachstum fördern können.
Doch was sagen die wissenschaftlichen Fakten dazu? Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle natürlichen Inhaltsstoffe gleich wirksam sind. Einige Studien haben gezeigt, dass bestimmte natürliche Inhaltsstoffe tatsächlich vorteilhafte Eigenschaften für das Haar haben können. Aloe vera zum Beispiel besitzt feuchtigkeitsspendende Eigenschaften und kann helfen, Trockenheit und Schuppenbildung zu reduzieren. Jojobaöl hilft, die Talgproduktion zu regulieren und die Kopfhaut gesund zu halten.
Anders sieht es mit Pflanzenextrakten aus. Diese dienen in den meisten Fällen eher dazu, dem Produktmarketing eine passende Geschichte zu liefern. Oft sind diese Extrakte nur in homöopathischen Dosen im Produkt enthalten und ihre tatsächliche Wirkung kann fraglich sein. Eine kritische Betrachtung von Studien zum Thema Inhaltsstoffe in Haarkosmetik ist von großer Bedeutung. Es ist wichtig, die Methodik und Validität der Studien zu prüfen, die Unabhängigkeit der Studien zu beachten und die Stichprobengröße sowie die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zu berücksichtigen. Auch der Kontext und die Anwendbarkeit der Studienergebnisse sollten betrachtet werden.

Bleiben Sie kritisch

Eine weitere kritische Betrachtung betrifft die Verwendung von ätherischen Ölen in der Haarpflege. Natürliches Rosenöl etwa enthält über 500 verschiedene Inhaltsstoffe, von denen viele potenziell allergieauslösend sind. Bei synthetischen Duftstoffen hingegen besteht die Möglichkeit, viele dieser potenziellen Allergene gezielt wegzulassen und so ein verträglicheres Produkt herzustellen.

Es ist wichtig, dass Friseur*innen und Verbraucher*innen die Kritikpunkte und die Grenzen natürlicher Inhaltsstoffe in der Haarpflege verstehen. Naturkosmetik kann eine gute Ergänzung sein, sollte jedoch nicht als alleinige Lösung betrachtet werden. Und Achtung: Die Begriffe „Clean Beauty“ und „Green Chemistry“ sind nicht geschützt und können zu irreführenden Marketingaussagen führen. Claims wie „Ohne Sulfate, Ohne Parabene, Ohne Silikone“ sind weit verbreitet, obwohl sie in vielen Fällen unlauter und nicht erlaubt sind: Die Claims-Verordnung stellt klar, dass als sicher geltende Inhaltsstoffe wie Parabene, Silikone und Sulfate nicht herabgesetzt werden dürfen.

Wohlbefinden der Kund*innen im Mittelpunkt

Als Friseur*innen setzen wir das Haar unserer Kunden und Kundinnen regelmäßig einer Vielzahl von chemischen und thermischen Behandlungen aus, wie dem Färben, Blondieren, Glätten und Dauerwellen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zu verstehen, dass die Lösung für die Herausforderungen der Haarpflege nicht ausschließlich in Naturkosmetik zu finden ist. Naturkosmetik kann jedoch eine sinnvolle Ergänzung für den Gast im Salon sein, der auf chemische Behandlungen verzichten möchte oder empfindlich auf bestimmte Inhaltsstoffe reagiert. Es ist entscheidend, dass Verbraucher*innen kritisch bleiben und sich nicht allein auf Werbeaussagen verlassen. Eine fundierte Entscheidung in Bezug auf Haarpflegeprodukte erfordert eine Betrachtung verschiedener Quellen und Informationen.
Studien sind ein wichtiger Aspekt, jedoch sollte man nicht nur einzelnen Studien vertrauen, sondern auch andere Faktoren wie wissenschaftliche Erkenntnisse, klinische Studien und Verbrauchererfahrungen berücksichtigen.

Als Friseur*innen können wir unseren Kund*innen dabei helfen, die richtigen Produkte und Behandlungen entsprechend ihrer individuellen Haarbedürfnisse auszuwählen. Eine ausgewogene und differenzierte Betrachtung von natürlichen Inhaltsstoffen sowie eine kritische Haltung gegenüber Marketingaussagen sind dabei unerlässlich. Letztendlich sollten die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kund*innen im Mittelpunkt stehen, und die Auswahl der Haarpflegeprodukte sollte auf fundierten Informationen und individuellen Präferenzen basieren.

Michael Ahlmeyer ist Friseurmeister mit zwei Salons in Köln. Unter dem Markennamen „Michael Ahlmeyer“ entwickelt er hochwertige Haarkosmetik, nachdem er die Corona-Pandemie für ein Chemie-Fernstudium der Produktentwicklung genutzt hatte. Mehr Infos zu den Produkten und Kontakt unter: michaelahlmeyerpro.com