28.06.2024
Paul Kent: vom Mechaniker zum Friseurtrainer
Mit seinem patentierten Haarschnitt Natural Flow® ist Paul Kent international bekannt. Als Gastdozent an der Deutschen Friseurakademie in Neu-Ulm vermittelt er den Kursteilnehmern Schneiden ohne Stylen. Im Interview erzählt er, was ihn in die Friseurbranche geführt hat und was seine spezielle Schnitttechnik ausmacht.
Beim Blick auf deine Karriere fallen zuerst die 75 Patente für deinen speziellen Schnitt Natural Flow® auf. Das gab es in der Friseurbranche so noch nie. Was hat es damit auf sich?
Paul Kent: Das Patent habe ich für meine ganz bestimmte Art zu schneiden erhalten. Erst hatte ich dafür keinen Namen, inzwischen trägt diese Technik die Bezeichnung Natural Flow®. Das passt ziemlich gut, denn ich schneide mit dem Flow, dem natürlichen Fall der Haare. Stylen wird dadurch überflüssig. Diese Schneidetechnik kann ich in 75 Kategorien von Haarschnitten anwenden – mit einem super Resultat. Daher die Zahl 75, die irrtümlich auf die Patente bezogen wird.
Wie kamst du dazu, diese Schnitttechnik zu entwickeln?
2004 hatte eine Kundin von mir das Problem, dass sie ihre Ponyfrisur, die leicht schräg ins Gesicht fiel, nicht selbst stylen konnte. Das bereitete mir schlaflose Nächte. Es musste einen einfachen Weg geben, um zu erreichen, dass die Haare genauso fallen, wie ich sie geschnitten hatte. Insgesamt dauerte es fünf Jahre, diese Technik zu entwickeln.
War es schon immer dein Ziel, Friseur und Friseurtrainer zu sein?
Absolut nicht! In meiner Heimat Griechenland habe ich Mechaniker gelernt. In unserem Ort gab es nur einen alten Barber, deshalb habe ich meine Haare selbst geschnitten. Weil ich zu schüchtern war, in einen Salon zu gehen, haben mich meine Freunde „gezwungen“. Es war ein Salon mit 25 Mitarbeiterinnen. Ich war fasziniert, wie sie mit der Schere umgingen, das war für mich „die Tür zum Himmel“ und ich war sofort in den Beruf Friseur verliebt. Am nächsten Tag habe ich mich bei meiner Technikschule abgemeldet und bei einer Friseurschule angemeldet. Acht Monate später habe ich dort angefangen. Ein Jahr haben wir nur Schneiden gelernt, ein Jahr nur Theorie. Das war 2001 und in Griechenland gab es weder Internet, also auch keine Lernvideos auf YouTube, kein Fachbuch. Ich habe mein „Mechanikerhirn“ angestrengt und mit dem Strickgarn meiner Mutter einen Friseurkopf gebastelt und daran geübt. Den habe ich dann in die Schule mitgenommene und den Schnitt dort gezeigt. Niemand konnte glauben, dass ich das geschnitten hatte. 15 Jahre später habe ich diesen Schnitt in Japan gesehen…
Wie ging es nach der Ausbildung weiter? Wolltest du einen eigenen Salon?
Nein, ich wollte kein Trainer sein, sondern für eine Top Marke arbeiten. So kam ich zu Toni & Guy in Griechenland, ab 2004 war ich für diese Marke in London. Ein guter Schritt für meine Karriere, aber ich merkte irgendwann: das passt jetzt nicht mehr. Ich muss raus aus der Box. Es folgten drei Jahre bei Vidal Sassoon in Mailand, bis mir auch diese Box zu eng wurde. Ich wollte den asiatischen Markt entdecken.
Das heißt…?
Ich ging für drei Jahre nach Korea, und das war eine spannende Zeit. Das Mindset der Asiaten unterscheidet sich erheblich von unserem, sie haben andere Werkzeuge und sind super gut in Trockenhaarschnitten. 2013 bin ich zurück nach Griechenland und beschloss, einen Salon mit Barbershop zu eröffnen.
Hast du in dieser Zeit schon nach deinem Natural Flow Cut gearbeitet?
Ja, aber den Namen und das Patent gab es noch nicht. Eines Tages hatte ich einen Kunden, der ziemlich störrige Haare hatte. Nach meinem Haarschnitt lagen die Haare perfekt und er sagte zu mir: „You are the Greek guy, I think? Welche Produkte hast du verwendet, das ist unglaublich“. Er hatte schon von mir gehört, stellte sich als Entrepreneur aus Australien vor, und machte mir den Vorschlag, den Schnitt patentieren zu lassen. Das dauerte ein Jahr und kostete viel Geld. Anschließend präsentierten wir den Schnitt bei einer Tour durch Australien. Durch ihn bin ich bis heute auch Botschafter für Wahl Hair Clippers.
Wie kannst du überprüfen, ob jemand den Schnitt verwendet und das Patent missbraucht?
Ich habe neben zwei Salons inzwischen auch zwei Akademien – in Athen und New York. Wer den Schnitt hier lernt, ist zertifiziert und darf damit auch werben. In den Kursen wie hier an der dfa lernen die Teilnehmer zunächst einmal die Schere richtig zu halten, sonst geht es gar nicht, und sie bekommen einen Einblick, wie das Prinzip funktioniert.
Aber Schneiden ist doch ein Basic der Ausbildung…?
Diese Basistechnik wird, aus meiner Sicht, nicht gut vermittelt. Wenn Friseur*innen die Schere so halten, wie es gelehrt wird, schränken sie sich selber ein. In der richtigen Art erzielt man bessere Ergebnisse, vor allem beim Natural Flow. Es geht darum, so zu schneiden, wie die Haare wachsen, das muss man sich auch ein bisschen selbst erarbeiten. Die Grundlagen dafür vermittele ich in meinen Kursen an der Deutschen Friseurakademie. Für mich ist die Akademie eine perfekte Plattform um Teilnehmer*innen der Kurse zu motivieren, Neues zu wagen, sich weiterzuentwickeln.
Du hast in deinem Leben schon viel erreicht, gehörst zu den international renommiertesten Friseuren. Was kommt noch?
Ich bin jetzt 45 Jahre alt und möchte einfach mal andere Dinge tun. Für die nächsten zwei Jahre habe ich schon einen Plan.
Und der wäre?
Motorradrennen fahren und meinen Traum von einer Farm verwirklichen. Eine Farm speziell für alte und kranke Katzen. Das wär’s!
Interview: dfa